Wie viele Wahrheiten hat ein Verbrechen? Praktiken der Wahrheitsfindung und ihre Ästhetiken nach Erfahrungen von Massengewalt im ehemaligen Jugoslawien
Vortragende: Jun-Prof. Dr. Željana Tunić, Universität Halle-Wittenberg
Unterschiedliche epistemische Systeme sind mit der Aufarbeitung von gruppenbezogenen Leiderfahrungen beschäftigt: Von der privaten Sphäre der unmittelbar Betroffenen über die nationale und internationale Strafverfolgung und damit verbundene forensische Untersuchungen, weiter zu politischen und religiösen Sinnsystemen, bis hin zur (massen-)medialen und erinnerungskulturellen Vermittlung sowie künstlerischen Ästhetisierung. All diese epistemischen Systeme operieren mit divergierenden Auffassungen von Wahrheit und Wahrhaftigkeit und haben unterschiedliche Interessen am Prozess der Aufarbeitung. Dazu kommen Praktiken der Verfälschung und Manipulation durch „alternative Wahrheiten“. Der Vortrag gibt Einblicke in die Spannbreite dieser verschiedenen Denksysteme, ihre Dynamiken und sich daraus ergebenden Synergien oder konkurrierenden Agenden nach Erfahrungen von Massengewalt im ehemaligen Jugoslawien.
Željana Tunić ist Juniorprofessorin für slavistische Kulturwissenschaft an der Universität Halle-Wittenberg. Im Mittelpunkt ihrer Forschung stehen die gesellschaftliche Verarbeitung von Kriegs-, Gewalt- und Transformationserfahrungen sowie das politische Potenzial von Trauer.
Zurzeit konzentriert sie sich dabei auf die kulturwissenschaftliche Untersuchung forensischer Praktiken im ehemaligen Jugoslawien und postsowjetischen Raum.
Die ist ein Vortrag im Rahmen des "5. Wiener Südslawistik-Colloquiums 2023”(19.-20.10.2023).
Am 19.10.2023, 18:30 Uhr
Ort: Universität Wien, Institut für Slawistik, Spitalgasse 2, Hof 3, Seminarraum 1
In Kooperation mit:
Institut für Slawistik, Universität Wien