Grußwort von Bundesaußenminister Joschka Fischer zur 50-Jahr-Feier der Südosteuropa-Gesellschaft 2002
“Über ein halbes Jahrhundert hat die Südosteuropa-Gesellschaft es verstanden, politische und persönliche Brücken zu bauen zwischen Deutschland und seinen südosteuropäischen Nachbarn: Als Forum des Dialogs, als Impulsgeber für regionale Zusammenarbeit und als Ideengeber der deutschen Politik.
Nach dem Umbruch von 1989 hat das integrierte Europa den aufbrechenden Krisen und Konflikten dieser europäischen Nachbarregion allzulange distanziert gegenübergestanden. Heute ist die Europäische Union und mit ihr die Bundesrepublik Deutschland umfassend in der Region engagiert: politisch, wirtschaftlich, aber – wo notwendig – auch bei der militärischen Absicherung einer friedlichen und stabilen Entwicklung.
Vieles ist schon erreicht worden. Ein aggressiver Nationalismus hat heute nirgendwo in Europa mehr Platz. Die Herausforderungen in Südosteuropa bleiben dennoch enorm: Wie kann es gelingen, das Spannungsverhältnis von Nationalstaatsprinzip und Multiethnizität dauerhaft gewaltfrei aufzulösen? Welchen Schutz und welche Teilhaberechte sollen und müssen Minderheiten erhalten? Wie können die Länder der Region Anschluss finden an die ökonomische Modernisierung?
Europas Engagement in der Region braucht auch künftig einen langen Atem und einen breiten Ansatz, der regionale Kooperation und europäische Perspektive miteinander verbindet. Diese Kombination war und ist der Kern des Stabilitätspakts für Südosteuropa, sie ist ein entscheidender Baustein für eine gute Zukunft der Staaten und Völker der Region. Um eine solche Politik langfristig angelegter Präsenz und Zusammenarbeit zu gestalten, braucht man Verbündete.
Ich freue mich, in der Südosteuropa-Gesellschaft auch künftig einen solchen Verbündeten zu haben, der mit seinem großen Sachverstand und seinem beharrlichen Werben um Verständnis und Verständigung die deutsche und europäische Politik weiterhin begleiten wird.”
Joschka Fischer