Bulgarien wählt zum siebten Mal in drei Jahren – und es dreht sich alles um Korruption und um „zwei Elefanten“
Auf dem Podium diskutieren
- Alexander Andreev, Redakteur, Deutsche Welle / Co-Leiter der SOG-Zweigstelle Köln/Bonn
- Martin Kothé, Regionalbüroleiter Ost und Südost Europa; Projektleiter Bulgarien, Nordmazedonien und Griechenland Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit
- Louisa Slavkova, Gründungsmitglied und Direktorin der Sofia Plattform, Sofia
- Gudrun Steinacker, Botschafterin a.D. / Vizepräsidentin der SOG, Wien
Moderation
Dr. Johanna Deimel, Mitglied des Präsidiums der SOG, München
Zum Inhalt
Schon wieder geht es am 27. Oktober für die Bürger Bulgariens an die Wahlurne – zum siebten Mal innerhalb von drei Jahren. Ein trauriger Rekord in Europa. Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen im Juni konnte zwar die vom langjährigen Ministerpräsidenten Boiko Borissov geführte mitte-rechts-Partei ‚GERB‘ die meisten Stimmen verbuchen, die Konfrontationen und Erosionen im Parteienspektrum aber waren zu groß, um eine Regierung bilden zu können. Die letzte von Nikolai Denkov geführte Regierungskoalition zwischen den reformistischen Partnern ‚Wir setzen den Wandel fort‘ / ‚Demokratische Partei‘ und ‚GERB‘, die mit einer unkonventionellen Rotation im Amt des Premiers und im Kabinett aus der politischen Krise hätte führen sollen, war im März geplatzt. Seither führt wieder eine Übergangsregierung die Geschäfte.
Der Politologe Ivan Krastev sprach unlängst von einer „gefrorenen Demokratie“ in Bulgarien. Korruptionsvorwürfe gegenüber den einen ‚Elefanten‘ im Raum, gegenüber Boiko Borissov, gingen durch die internationalen Medien. Die Partei der türkischen Minderheit ‚Bewegung für Rechte und Freiheit‘ konnte sich zwar auf ein stabiles Elektorat stützen, einer ihrer prominenten Figuren, Delyan Peevski, aber ist von den USA wegen Korruption sanktioniert. Er ist der zweite ‚Elefant im Raum‘ und gilt als ein wichtiger Drahtzieher, wenn es um die tiefe Infiltration des Staates durch kriminelle Machenschaften und um Einflussnahme auf die Justiz des Landes geht. Peevski trieb die Bürger 2013 und 2020 zu Tausenden auf die Straße. Heute gehen die Bürger entweder nicht mehr zur Wahl oder geben zunehmend ihre Stimmen rechtsextremen, pro-russischen und populistischen Parteien.
Bulgarien, ein wichtiger Anrainerstaat am Schwarzen Meer, ist für die Sicherheit Europas wichtig und daher ein bedeutendes Spielfeld für russischen Einfluss: über die Wirtschaft, über Medien, über Agenten und über pro-russische Politiker, zu denen auch immer wieder der Präsident Rumen Radev gezählt wird. Mit Frontex ist Bulgarien beauftragt, an der türkischen Grenze illegale Migration in die EU zu stoppen. Bei dem Nachbarland Nordmazedonien hat Bulgarien innerhalb der EU durchgesetzt, dass es die bulgarische Minderheit in die Verfassung aufnimmt – das will die heutige Regierung in Skopje nicht akzeptieren, also sind EU-Beitrittsverhandlungen blockiert.
Welche Schlüsse lassen sich aus den Ergebnissen der Wahlen am 27. Oktober 2024 ziehen? Wird Bulgarien aus der Krise finden und bleibt es auf pro-europäischem Kurs?