Ars moriendi im Sozialismus. Der Topos des „guten Todes“ in der ungarischen Literatur, 1960–1980
Vortragende: PD Dr. Heléna Tóth, Vertretungsprofessorin (Göttingen)
Es ist nachgerade ein Ritual, wissenschaftliche Abhandlungen über das Thema Tod und Sterben in sozialistischen Staaten mit der Tabuisierung des Todes zu beginnen. Die These von Norbert Elias über die Einsamkeit der Sterbenden in der Moderne scheint insbesondere auf den Sozialismus anwendbar zu sein, dessen ideologische Grundlage außer der Kategorie eines Heldentodes wenige Anhaltspunkte für eine moderne Thanatologie bot. Am Beispiel Ungarns argumentiert dieser Vortrag, dass sich vor dem Hintergrund einer gesamtgesellschaftlichen Tabuisierung der Vergänglichkeit in der Literatur der 1960er bis 1980er Jahre dennoch diskursive Momente herauskristallisierten, die effektiv die Funktion einer ars moriendi erfüllten. Der Vortrag zeichnet die Konturen dieser Diskussion basierend auf einem Close Reading von István Örkénys Roman Die Rosenausstellung (Rózsakiállítás, 1977) und diverser Beiträge aus der Zeitschrift Leben und Literatur (Élet és Irodalom) nach.
Heléna Tóth studierte Geschichte mit Schwerpunkt auf internationalen Beziehungen an der Harvard University, wo sie mit ihrer Studie zu der transnationalen Geschichte des politischen Exils nach den Revolutionen 1848 promoviert wurde (An Exiled Generation: German and Hungarian Refugees of Revolution, 1848-1871, Cambridge University Press, 2014). Nach ihrer Promotion lehrte sie europäische und deutsche Geschichte an der Boston University und war Excellence Fellow an der LMU. Während ihrer Zeit als Postdoc an der LMU war sie Mitglied des Center for Advanced Studies und des internationalen Graduiertenkollegs „Religiöse Kulturen im Europa des 19. und 20. Jahrhunderts.“ Seit 2014 ist sie akademische Rätin a.Z., seit 2020 akademische Oberrätin a.Z. an der Otto-Friedrich-Universität, Bamberg, wo sie sich mit ihrer Studie Ritual Governance: Socialist Name Giving Ceremonies and Funerals in East Germany and Hungary, 1949-1989 habilitierte. Im Wintersemester 2022/2023 vetrat sie den Lehrstuhl für die Geschichte Ost- und Südosteuropas an der LMU München. Im Wintersemester 2024/25 vertritt sie die Professur Osteuropäische Geschichte an der Georg-August-Universität Göttingen.
Es handelt sich um eine hybride Veranstaltung. Um Anmeldung wird gebeten.
Am 27.05.2025, 18:15 Uhr
Ort: An der Universität 2, Raum 02.04, Otto-Friedrich-Universität Bamberg // online via Zoom