Zur Rolle der Geheimdienste in Bulgarien damals und heute. Das Gift aus dem DS-Regenschirm wirkt immer noch in der bulgarischen Gesellschaft.
Vortragender: Alexander Andreev, Deutsche Welle / Leitung der SOG-Zweigstelle Köln-Bonn
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In London läuft zurzeit ein Prozess gegen drei Bulgaren, die für Russland spioniert und mit dem flüchti-gen Wirecard-Manager Jan Marsalek zusammengearbeitet haben sollen. In Bulgarien sind neulich wieder zwei russische Spione mit bulgarischem Pass enttarnt worden. Die engen Beziehungen zwischen der kommunistischen Staatssicherheit Bulgariens (DS) und den sowjetischen Geheimdiensten aus der Zeit des Kalten Krieges sind auch heute, in einem neuen Gewand, eine echte Gefahr für Bulgarien und seine EU- und Nato-Partner. Und die unzähligen Spionageskandale, die russische Netzwerke in Bulgarien sichtbar gemacht und die Ausweisung von dutzenden russischen Diplomaten und sogar von drei Pries-tern verursacht haben, sprechen für sich. "Sicherheitsdienste sollten das Immunsystem eines Staates sein. Doch in unseren Diensten ist überall der verdeckte Einfluss Russlands zu spüren", meint dazu Hristo Iwanow, Parlamentsabgeordneter und Ko-Vorsitzender des Parteienbündnisses Demokratisches Bulga-rien (DB). Das mag auch ein Grund dafür sein, dass die Geheimdienste die gesetzlich vorgeschriebene Überprüfung ihres Personals durch der bulgarischen Stasiakten-Behörde KOMDOS unterlaufen. Für die wenigen Mitarbeiter, für die sie Daten an KOMDOS übermittelten, zeigte sich: Rund die Hälfte hatte be-reits für die kommunistische Staatssicherheit spioniert, oft mit Spezialausbildung in Moskau.
Die traurige Wahrheit ist nämlich die: selbst 34 Jahre nach dem Untergang des Kommunismus ist die Macht der früher allgegenwärtigen Staatssicherheit (DS - Darshawna sigurnost) in Bulgarien immer noch ungebrochen. Ihre früheren Mitarbeiter haben einflussreiche Positionen in Politik, Wirtschaft und Wis-senschaft inne und mischen fleißig mit in der Politik des EU-Landes. Und das, obwohl die Regierung im Zuge des EU-Beitritts vor 16 Jahren die Archive der Staatssicherheit geöffnet und die Überprüfung der Kandidaten für alle gewählten und ernannten Ämter vorgeschrieben hat. Dazu Ekaterina Bontschewa, seit 2007 vom Parlament gewähltes Mitglied von KOMDOS: „Wir haben den Nachweis geliefert, dass die gesamte Staatssicherheit eine brutale politische Polizei war. Und wir haben dafür gesorgt, dass die Hin-terzimmerpolitik und die Erpressungen mit den geheimen Akten aufhören."
In der 30-minütigen Abhandlung wird die Geschichte der kommunistischen Staatssicherheit in Bulgarien kurz zusammengefasst. Die DS (Durzhavna Sigurnost) war während der kommunistischen Ära ein Instru-ment der Kontrolle, Überwachung und Unterdrückung. Sie spielte eine entscheidende Rolle im Aufrech-terhalten der kommunistischen Herrschaft und der Überwachung der bulgarischen Bevölkerung. Die DS, gegründet im Jahr 1944, war das wichtigste Instrument der bulgarischen kommunistischen Partei zur Er-haltung ihrer Macht und Kontrolle über die Bevölkerung. Bis zum Wendejahr 1989 hat sie in Bulgarien unter der direkten Führung des KGBs gearbeitet und immer wieder auch „nasse Aufträge“ erledigt, wie dem Regenschirmmord an dem Dissidenten Georgi Markov in London. In der Abhandlung werden Fakten und Zusammenhänge aus dieser Zeit nachgegangen – bis hin zum heutigen Tag und die oben erwähnten Nachwirkungen.
Vortragender
Alexander Andreev, Deutsche Welle / Leitung der SOG-Zweigstelle Köln-Bonn
Moderation
Béatrice Hendrich, Professorin für Türkeistudien, Institut für Sprachen und Kulturen der is-lamisch geprägten Welt ISKIW, Universität zu Köln / Leitung der SOG-Zweigstelle Köln-Bonn
Kontakt
Am 05.04.2024, 18:00 Uhr
Ort: Online via Zoom