Wir sehen uns auf dem Schlacht-, äh Spielfeld! Sport und Politik in Südosteuropa
Thema
Kaum ein anderes Gebiet spiegelt die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit so stark wider wie der Sport. Davon betroffen sind nicht nur Karrieren von einzelnen Sportler*innen, welche von vielen gesellschaftlich als relevant erachteten Faktoren bestimmt werden, wie Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit, Hautfarbe, politischer Orientierung u.v.m., sondern auch politische und gesellschaftliche Diskussionen anlässlich sportlicher Aktivitäten, Veranstaltungen und Wettbewerbe. Dies zeigen Diskussionen oder auch regelrechte Proteste wie der während der Fußball-Europameisterschaft von 2021 in Solidarität mit der internationalen LGBTIQ Community. Zahlreich sind darüber hinaus die Fälle, in denen im Sport oder mittels Sportes auf gesellschaftliche oder politische Diskriminierung von Minderheiten hingewiesen wird. Bekannte Beispiele sind etwa der Kniefall von Colin Kaepernick aus der National Football League (NFL) in den USA 2016 gegen Rassismus, der Kuss der zwei russischen Sportlerinnen Tatjana Firowa und Xenija Ryschowa bei der Siegerehrung für die 4x400-m-Staffel im Luschniki-Stadion 2013 gegen Diskriminierung von Homosexuellen in Russland, oder das Schild mit der Aufschrift „Je suis Charlie“ des Fechters Race Imboden (US-Team-Gold) 2016. Immer wieder wird der Sport jedoch auch auf der großen Bühne als Projektionsfläche für Nationalismus und Rassismus genutzt, so beispielsweise, als der italienische Fußballspieler Paolo Di Canio von Lazio Rom im Mai 2010 den faschistischen saluto romano zeigte, oder als die beiden Schweizer Fußballspieler mit kosovarisch-albanischen Wurzeln, Xherdan Shaqiri und Granit Xhaka, nach einem Tor im Spiel Schweiz-Serbien während der Weltmeisterschaft 2018 den albanischen Adler gestikulierten. Auch die Militärgrüße vieler türkischer Spieler und Mannschaften in 2019 als Unterstützung der Offensive der türkischen Armee in Syrien sind Beispiele hierfür. Beide Listen lassen sich endlos weiterführen. Die entsprechenden Verbände versuchen vergebens, mit Verboten und Strafen eine politische Neutralität aufrechtzuerhalten. Doch ihre Erfolglosigkeit zeigt, dass es dabei eben nicht nur um Politik geht, sondern auch um gesellschaftliche Zustände, welche sich im Sport widerspiegeln.
Wie die Beiträge der Diskutant*innen des Wissenschaftlichen Symposions zeigen, sind diese Verflechtungen von Sport und Politik im südosteuropäischen Alltagsleben virulent und strahlen in alle möglichen Bereiche des gesellschaftlichen Lebens aus. Die Diskussion wird die verschiedenen aktuellen Bedeutungszuschreibungen des (National)Sports in verschiedenen Ländern Südosteuropas anhand spannender Fallbeispiele beleuchten und diskutieren.
PROGRAMM
Sport und Politik in Südosteuropa:
Von Nationalnarrativen und Patriotismusperformanzen
Lumnije Jusufi & Roswitha Kersten-Pejanić, Humboldt-Universität zu Berlin
Fußball, nationale Identitäten und Nationalismus:
Der Fall der Schweizer Nationalmannschaft
Jeta Abazi Gashi, Universität Prishtina
Der Kampf ums (nationale) Heiligtum.
Politik, Ritual und Mythos im kroatischen Sport
Dario Brentin, University of Applied Sciences Vienna
Parolen, Paramilitärs und Politiker im serbischen Fußball
Enver Robelli, Tages-Anzeiger, Zürich
Diskussion
Einführung und Moderation
Lumnije Jusufi, Universität Tirana / Humboldt-Universität zu Berlin
Roswitha Kersten-Pejanić, Universität Rijeka / Humboldt-Universität zu Berlin